Die St. Johanniskirche in Herford wurde im 13. und 14. Jahrhundert, in der Zeit der Gotik, erbaut. Wasserspeier in Gestalt von Tieren, Fabelwesen und Dämonen sind typische Details der Bauten dieser Epoche. In Herford schaut dieser Teufel mit einem Dreizack aus großer Höhe herab. Er steht für die bösen Mächte, die die Welt bedrohen.

Das Langhaus der Kirche hat einen fast quadratischen Grundriss, eine in Westfalen häufig anzutreffende Bauform. Im Osten schließt sich ein polygonaler Chor an. Zwei Reihen zu je drei Rundpfeilern unterteilen den Innenraum in drei gleichhohe Schiffe, die mit Kreuzrippengewölben abschließen.

Die Inneneinrichtung der Kirche wurde im 17. Jahrhundert erneuert und den Bedürfnissen des im Zuge der Reformation eingeführten evangelischen Gottesdienstes angepasst. Die Ausstattung im Stil der Renaissance fügt sich harmonisch in den weiten gotischen Kirchenraum ein.

Etwas „verhökern“ – dieser heute eher umgangssprachlich gebrauchte Begriff leitet sich von der Berufsgruppe der Höker ab, die als Kleinkaufleute seit dem Mittelalter einen festen Platz in der städtischen Gesellschaft hatten. Wie die Handwerker waren sie häufig in Zünften zusammengeschlossen. In der Johanniskirche in Herford hat die hier „Amt“ genannte Organisation im 17. Jahrhundert einen prachtvollen Emporeneinbau als zunfteigenes Kirchengestühl gestiftet. Die Brüstung wird durch vorgelagerte gedrehte Säulen in Felder unterteilt, die Szenen aus der Passionsgeschichte in Bild und Text enthalten.



Der „Ambts Stuel“ der Höker ist jedoch nicht der einzige seiner Art in der Johanniskirche. Auch die Bäcker, Leineweber, Schuhmacher und Schneider hatten in Herford Gestühle für ihren jeweiligen Berufsstand. Auch sie saßen oberhalb der restlichen Gemeinde, für die die Plätze im „Parkett“ blieben.


Die Einbauten im Norden und Westen sind ähnlich gestaltet wie die Empore der Höker an der südlichen Langhauswand. Inmitten einer Fülle bildlich gestalteter Glaubensinhalte und Bibelszenen sind an zentraler Stelle die reich verzierten Zunftzeichen mit typischen Symbolen wie Brezel, Stiefel oder Scheren positioniert. Die lange Nordempore nimmt auch das Gestühl für die Stiftsherren des Dionysius-Stiftes auf, das im 15. Jahrhundert vom benachbarten Enger nach Herford überging.




Den Ratsherren als Führungsspitze der Stadt wurde ein besonders exponierter Platz für ihre Teilnahme am Gottesdienst eingeräumt. Im Westen, direkt über dem Mittelgang bot sich ihnen der unverstellte Blick auf den Altar und die Kanzel. Sicher wurden nicht zufällig Könige des alten Testaments als Thema für die Gemälde der Brüstung gewählt.

Der Innenraum der Johanniskirche in Herford veranschaulicht eindrucksvoll, wie gesellschaftliche Gruppierungen in der Zeit nach der Reformation die Ausstattung der Kirchen geprägt haben, sei es im Sinne einer Erinnerungskultur, einer gewollten Repräsentation oder schlichtweg einer frommen Stiftung. Waren es in der Zeit der alten Kirche oft Altarstiftungen, die diesen Absichten dienten, gewann das komfortable Sitzen während des evangelischen Gottesdienstes an Bedeutung, stand doch nun die lange Predigt von der Kanzel im Mittelpunkt des liturgischen Geschehens.





So auch wir oder ein Engel vom Himmel euch würde Evangelium predigen, anders als daß wir euch geprediget haben, der sey verflucht.
Galater 1,8
Der Spruch aus dem Brief des Paulus an die Galater, der am Rand des Schalldeckels zu lesen ist, verweist darauf, dass an diesem Ort die reine Lehre gepredigt wird. Im Jahr 1602 – in Herford hatte sich in den vorangegangenen Jahrzehnten die Lehre Luthers etabliert – wurde am südöstlichen Rundpfeiler die Kanzel mit einer Vielzahl geschnitzter Darstellungen und reichhaltiger Ornamentik errichtet. Als Verkünder der Worte Gottes finden sich am Kanzelkorb die vier Evangelisten samt Moses. Am Aufgang und der Kanzeltür sind Porträts der vier großen Propheten mit Szenen aus ihren Schriften abgebildet.

Umgeben von hohen Fenstern, deren Glasmalereien zu großen Teilen noch aus dem Mittelalter stammen, dominiert im Chor der noch aus dem 16. Jahrhundert stammende Altar. Sein Bildprogramm wird, ganz den Empfehlungen Luthers entsprechend, vom Gedenken an den Opfertod Jesu Christi bestimmt. Unter einer Kreuzigungsszene im oberen Geschoss befindet sich ein großformatiges Gemälde des letzten Abendmahls mit den Einsetzungsworten.

Die Verbindung von Bild und Text, die auch die Gestaltung der Kanzel und der Emporen prägt, setzt sich auch hier fort. Die stilreine Ausstattung aus der Zeit der Renaissance entfaltet vor dem Besucher ein vielschichtiges illustriertes Evangelium und bietet ihm ein besonderes Raumerlebnis in der gotischen Kirche.