
Spitzbogige, bleiverglaste Fenster, Strebepfeiler an den Außenwänden – schon der äußere Aspekt der Kirche in Nordstemmen zeigt, dass der Baumeister Hellner bei seinem letzten Bau den klassizistischen Stil aufgegeben hat. Die Fertigstellung erfolgte erst nach seinem Tod im Jahr 1864.
Die Rückbesinnung auf das Mittelalter im Laufe des 19. Jahrhunderts hatte zu einem veränderten Stilgeschmack in der Architektur geführt. Nicht nur Kirchenbauer hatten die Gotik wiederentdeckt, die als besonders „christlicher Stil“ galt. Schließlich waren seit dem ausgehenden 12. Jahrhundert von Frankreich ausgehend bedeutende Kirchenbauten im gotischen Stil in Europa entstanden.


Während das Langhaus aus exakt behauenen Quadern aufgemauert ist, bestehen die Wände des Turms, an dem sich diese Maske befindet, aus unregelmäßigen Bruchsteinen. Wie bei vielen Bauten Hellners wurde der romanische Turm der Vorgängerkirche beibehalten, wodurch Kosten eingespart werden konnten.
Ein altes Gemälde bietet noch einen Eindruck von der kleineren Kirche aus dem Mittelalter. Durch die veränderten Größenverhältnisse – der Neubau wurde größer konzipiert – erscheint der gedrungene Turm in Nordstemmen etwas dysproportioniert.


Auch das Innere des Kirchenschiffs unterscheidet sich grundlegend von den klassizistischen Kirchenräumen Hellners. Altar und Kanzel sind voneinander getrennt, nicht mehr übereinander angeordnet. Die Kanzel als Ort der Verkündigung des Wortes ist näher an die Gemeinde gerückt.
Die Position des Altars wird hervorgehoben. Er steht isoliert in einer Chornische, die mit ihren spitzbogigen Fenstern und einem Rippengewölbe typische Merkmale neugotischer Architektur aufweist. In diesem „neuen“ Stil sind auch die Holzarbeiten der Innenausstattung wie die Kanzel, die Empore, der Altaraufsatz und der Orgelprospekt ausgeführt.
Ich bin das Brot des Lebens
Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben


Die Gestaltung der beiden Türöffnungen, die vom Chor in zwei Sakristeianbauten führen, weist etwas plakativ mit Text und Bild darauf hin, dass hier, am Altar das Abendmahl eingenommen wird. Über den beiden Bibelversen in altdeutscher Schrifttype und Rechtschreibung sind stilisierte Pflanzen mit üppigem Besatz an Ähren bzw. Weintrauben abgebildet.
Ein feste Burg ist unser Gott

In vielen Kirchen erinnert ein Bildnis Martin Luthers an den Reformator. In Nordstemmen wird mit einer Inschrift des vierhundertsten Geburtstags Luthers gedacht. Im Jahr 1883 wurde sie in das Bogenfeld der Ausgangspforte eingefügt. Den Anfang seines wohl bekanntesten Kirchenliedes hat man dort als Überschrift eingraviert. Es sind Worte, die immer noch ein ausdrucksvolles Bild für ein starkes Vertrauen auf Gott darstellen, auch wenn der nachfolgende Liedtext heutzutage etwas martialisch anmutet.


Der Weg aus der Kirche führt durch den Gemeindefriedhof, dessen alte Grabsteine Personen der Ortsgeschichte ins Gedächtnis rufen. Mit dem Bau der Kirche steht der Zimmermeister Christian Burose in Verbindung, der zusammen mit seinem Schwiegervater einen Teil der Arbeiten ausführte.
Der Neubau fiel in die Amtszeit von Pastor Holekamp, der zusammen mit seiner Ehefrau Amalie (auch sie wird als „Frau Pastorin“ geehrt), in der Nähe der Kirchenpforte beigesetzt ist. Ehepaar Holekamp – beide haben ein stattliches Alter erreicht – mussten offenbar zwei Töchter zu Grabe tragen. Zwei benachbarte Grabsteine tragen Geburts- und Sterbedaten zweier junger Frauen mit dem Nachnamen Holekamp. Sie sind im Alter von 16 und 26 Jahren verstorben, die eine am 12. April 1871, die andere auf den Tag genau ein Jahr später.
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