

Im Mai 2018 hatte ich Glück. Nach einer Messe für Erstkommunionkinder führte mich Pfarrer Darius Lesniak im polnischen Szęstno höchstpersönlich durch seine Kirche. Die bis 1945 evangelische Kirche im früheren Seehesten in Ostpreußen hat vieles von ihrer Ausstattung aus einer jahrhundertealten Geschichte bewahrt. Lesniak selbst hat eine detaillierte Beschreibung der Kirche in deutscher Sprache verfasst, die – befestigt mit schwarz-rot-gelben Nadeln an einer Pinwand – in der Turmhalle zu lesen ist.

Jesus Christus steht im Mittelpunkt des Bildprogramms der Ausstattungsgegenstände. Ein Pelikan, der ein Junges scheinbar mit seinem Blut nährt – Symbol für Christus und seinen Opfertod – bekrönt den Schnitzaltar aus dem 17. Jahrhundert. Reliefartige Darstellungen zeigen im Gesprenge Christus als Weltenherrscher und eine Kreuzigungsszene im oberen Bildfeld des Retabels. In den seitlichen Schnitzereien sind nach den Erklärungen von Pfarrer Lesniak die Häupter von König Gustav Adolf von Schweden und Martin Luther zu erkennen.


Die Marienskulptur im Zentrum des Altaraufsatzes ist dagegen eher untypisch für eine – bis 1945 – protestantische Kirche. Die Gottesmutter mit dem Kind ist auf einer Mondsichel stehend abgebildet. Sie ist umgeben von einem nur teilweise erhaltenen Strahlenkranz. Die Apostel Petrus und Paulus, zu erkennen an ihren Attributen Schlüssel und Schwert, stehen an ihrer Seite. Die drei Schnitzfiguren stammen aus einem älteren Altar aus der Zeit vor der Reformation. Bei einem Brand der Kirche Anfang des 17. Jahrhunderts wurden sie gerettet und später in den neuen Altar eingefügt.



Die Gestaltung der Kanzel setzt mit Gemälden an der Tür und der Treppenbrüstung die Reihe von christologischen Darstellungen fort. Während hier Szenen aus der Passionsgeschichte abgebildet sind, ist der Kanzelkorb mit Reliefs der Evangelisten verziert. Lorenz Beck, seines Zeichens Amtsschreiber von Seehesten, hat die Kanzel im Jahr 1625 gestiftet, wie eine Inschrift am Kanzelaufgang erwähnt.



Verschiedene Objekte in der Kirche nehmen Bezug auf das Wirken von Adligen in der Gemeinde. Sie weisen auf das Standesbewusstsein der damaligen Gesellschaft hin, das auch im Kirchenraum zu Tage tritt. Der Altar als Stiftung des Fabian von Lehndorf (1593-1650) aus dem Jahr 1624 zeigt dessen Wappen. Ein Epitaph mit einer Abbildung der Auferstehung im Zentrum erinnert an diesen Spross der verzweigten ostpreußischen Adelsfamilie, der als Amtshauptmann von Seehesten in Diensten stand. Besondere Stühle und Stände zeichnen sich durch kunstvolle Schnitzarbeiten und Bemalungen aus.



Einzigartig finde ich zwei Totenfahnen aus bemaltem Kupferblech, die zum Gedächtnis an Johann von Sternberg (gest. 1686) und Justus Bernhard von Wilmsdorff (gest. 1711) über der Empore aufgehängt wurden. Aber auch „normale“ Personen hatten wichtige Aufgaben in der Gemeinde, wie zum Beispiel der Glöckner, der mit dem Seil in der Hand in der Turmhalle abgebildet ist. In der Eingangshalle ist eine Glocke aufgestellt, die 1862 in Königsberg umgegossen wurde. Ihre Inschrift gibt Auskünfte über die damaligen Pfarrer und Kirchenvorstände.



