Ein Dreieck mit dem Auge Gottes im Mittelpunkt eines Kleeblattkreuzes, umgeben von einem Strahlenkranz – die Symbole für die Dreifaltigkeit und die Allgegenwart Gottes sind das zentrale Motiv der Gewölbemalerei im Chor der St. Marienkirche in Parchim. Die Ausmalung entstand im Zuge einer Neuaufrichtung des Chors Anfang des 20. Jahrhunderts.
Auch die andere mittelalterliche Kirche der Stadt, St. Georgen, erfuhr in den 1890er Jahren eine Umgestaltung im Stil der Neugotik. Die Renovierungen, von denen zwei Steintafeln berichten, prägen auch heute noch das Erscheinungsbild der Kirchenräume.


Parchim war in früheren Zeiten nach Rostock und Schwerin eine der drei bedeutendsten Städte Mecklenburgs. Zwei ursprünglich selbständige Siedlungskerne, Altstadt und Neustadt, hatten sich im Jahr 1282 zu einem Gemeinwesen zusammengeschlossen. Da beide Teilstädte zu diesem Zeitpunkt schon eine eigene Pfarrkirche besaßen, kennzeichnen bis in unsere Tage gleich zwei stattliche Gotteshäuser das Erscheinungsbild der etwa 17 000 Einwohner zählenden Stadt.


St. Georgen und St. Marien haben viele Gemeinsamkeiten. Beide sind herausragende Beispiele der Backsteingotik. In beiden Kirchen haben sich Kunstwerke aus vor- und nachreformatorischer Zeit erhalten. Über Jahrhunderte hinweg waren und sind sie Orte des Glaubens und bewahren Erinnerungen an Mitglieder ihrer Gemeinden.
St. Marien
Mit dem Bau der Neustadtkirche wurde Mitte des 13. Jahrhunderts begonnen. Der frühgotische Backsteinbau mit Westturm und eingezogenem Rechteckchor erhielt im 15. Jahrhundert an der Nordseite einen Anbau mit zwei quergestellten Giebeln, der heute als Winterkirche dient. In dessen Außenwand sind seitlich des Portalbogens zwei große glasierte Steine mit figürlichen Reliefs eingelassen. Neben einem Bischof, erkennbar an einem Krummstab, ist hier Maria mit dem Jesuskind dargestellt, die Patronin der Kirche.




Die Bedeutung der mittelalterlichen Marienverehrung veranschaulicht auch das Altarretabel aus der Zeit um 1500. Seine geöffnete „Festtagsseite“ zeigt inmitten einer Vielzahl von geschnitzten Heiligenfiguren eine Madonna im Strahlenkranz. Die Gemälde der beiden Wandlungen haben Szenen aus dem Leben Marias zum Inhalt.
Auf einer der Tafeln ist Maria in einem geschlossenen Garten sitzend mit einem Einhorn auf ihrem Schoß abgebildet. Während der Garten symbolhaft für die Jungfräulichkeit der Gottesmutter steht, bezeichnet das Fabeltier das Gute schlechthin, das im Schoße Marias auch als Jesus Christus gedeutet wird.


Eine wichtige Rolle in der illustrierten Glaubenswelt der Marienkirche spielen die 12 Apostel. Über die Jahrhunderte hinweg sind die Jünger Jesu, die beispielhaft für die Nachfolge Christi stehen, in der Kirche abgebildet worden. Als überlebensgroße Wandmalereien aus der Zeit der Renovierung Anfang des 20. Jahrhunderts blicken sie von den Seitenwänden des Chors in den Altarraum herab. Die bronzene Tauffünte aus dem Jahr 1365 zeigt unter einer Inschrift, die auf den Gießer hinweist, Reliefs der Apostel und Jesus als Weltenrichter.



Apostel schmücken schließlich auch die Brüstungsfelder von Kanzelaufgang und -korb, während der Schalldeckel Darstellungen von vier Propheten enthält. Darunter sind in Schriftfeldern die Passagen des Glaubensbekenntnisses und Bibelsprüche zu lesen. Altes und Neues Testament, Glaube und Verkündigung des Wortes sind hier zusammengefasst.


Die Kanzel, die Brüstung der Orgelempore mit ihren musizierenden Engeln und der Prospekt der Orgel sind prächtige Schnitzarbeiten im Stil der Renaissance bzw. des Barock. Während der Empfang der Sakramente am Altar und der Tauffünte seit jeher zentraler Bestandteil des christlichen Glaubens ist, rückte nach der Reformation die Predigt in den Mittelpunkt des evangelischen Gottesdienstes. Der durch Orgelspiel begleitete Gesang gewann an Stellenwert. Dem wird in der Marienkirche durch die künstlerische Gestaltung von Kanzel und Orgel besonders Rechnung getragen.

St. Georgen
Die Kirche der Altstadt wurde erstmalig im Jahr 1229 noch vor der Marienkirche urkundlich erwähnt. Die Bausubstanz ist in großen Teilen jünger, da die ursprüngliche romanische Basilika gegen Ende des 13. Jahrhunderts einem Brand zum Opfer gefallen war. Der Neubau wurde unter Einbeziehung alter Gebäudeteile als dreischiffige Hallenkirche im Stil der Backsteingotik ausgeführt. Um 1400 wurden der Chor als polygonaler Umgangschor neu gestaltet und das Langhaus um zwei Anbauten an der Nord- und Südseite erweitert.



Der Raumeindruck im Inneren wird durch die gotische Architektur des Kirchenschiffs und die Ausmalung der Gewölbe und Wände vom Anfang des 20. Jahrhunderts bestimmt. Aus dieser Zeit stammt auch die Orgelempore im Westen und der neue Hauptaltar, dessen neugotischer Aufsatz unter einer Kreuzigungsgruppe das Lamm Gottes und Darstellungen der vier Evangelisten zeigt.




Bei einem Rundgang durch die Kirche vom nördlichen Seitenschiff über den Umgangschor in das südliche Seitenschiff fielen mir besonders die vielen unterschiedlich gearbeiteten Darstellungen von Jesus Christus auf.
Im 17. Jahrhundert wurden für das Retabel des früheren Hauptaltars, das jetzt im Chorumgang aufgestellt ist, Gemälde mit Passionsszenen gefertigt. Diese wurden später wieder getrennt und an der nördlichen Langhauswand aufgehängt. Der Altaraufsatz mit geschnitzten Heiligenfiguren aus mittelalterlicher Zeit erhielt im 19. Jahrhundert eine gemalte Abbildung des Emmausmahls. Ein hölzernes Kruzifix bekrönt den Mittelschrein. Eine Triumphkreuzgruppe und ein Christus als Schmerzensmann, beides mittelalterliche Schnitzarbeiten, setzen diese Reihe fort.





Das Leben und Sterben Jesu Christi steht auch im Focus des Bildprogramms der Kanzel, die sich durch ihre kunstvollen Schnitzarbeiten auszeichnet. Bedeutsame biblische Szenen wie die Kreuzigung, die Auferstehung und Christi Himmelfahrt schmücken, untertitelt mit lateinischen Bibelversen, den Kanzelkorb.





Die Kanzel gehört wie ihr Pendant in St. Marien zu einer Reihe von besonders aufwändig gestalteten Ausstattungsstücken im Stil der Renaissance. In St. Georgen stammen auch die steinerne Taufe und das prachtvolle Ratsgestühl aus dieser Zeit. Im Jahrhundert nach der Reformation hatte sich der evangelische Glaube gefestigt. Die Bürger Parchims gaben dem durch eine neue repräsentative Ausstattung ihrer Kirchen Ausdruck.



In St. Georgen erinnern zwei barocke Epitaphien an verdiente Honoratioren der Stadt. Der 1743 verstorbene Hinricus Ascanius Engelcke war „Doctor und Professor auff der Rostockischen Academie“ und auch „dieser Kirchen Haupt Pastor“. Matthäus Giese, beider Rechte „Doctor und auch Bürgermeister dieser Stadt Parchim“, verstarb im Jahr 1713. Auch das Andenken an einige für „Kaiser und Reich“ in den deutschen Kolonien gefallene Gemeindemitglieder wird wach gehalten.


Den Reformator halten natürlich beide evangelisch-lutherischen Gemeinden in Ehren….