Schönhagen

„Mit den … verschiedenen Ouvriers – 6 an der Zahl – versuchte ich noch, von ihren Forderungen möglichst abzudingen… . Um ferner von der Tüchtigkeit und Fähigkeit … mich zuverlässig zu überzeugen, examinirte [sic!] ich sie sämtlich… .“

Friedrich August Ludwig Hellner

Wahrscheinlich gehörte auch Meister Kuhlmann aus Uslar zu diesen „Ouvriers“, von denen der Baumeister aus dem fernen Hannover in einem Bericht zum Kirchenneubau in Schönhagen vom 3.9.1827 spricht (zitiert nach H. Mewes, Der lutherische Kirchenbau Niedersachsens, Hrsg. Stefan Amt, Hannover 1994). Die kostengünstige und solide Bauausführung, eine Prämisse während der langen Schaffensperiode Hellners als Konsistorialbaumeister, sollte auch bei diesem Bau nicht außer Acht gelassen werden.

Das Gotteshaus, seit 1995 Martin-Luther-Kirche genannt, wurde nach den Entwürfen Hellners mit leichten Abänderungen erbaut. Die Einweihung erfolgte, wie aus der in der Turmfassade eingelassenen Schrifttafel hervorgeht, am 30. Oktober 1831.

Schönhagen ist eine Ortschaft im Solling in der Mittelgebirgslandschaft Südniedersachsens. Bedingt durch die hügelige Dorflage kann die auf einer kleinen Anhöhe liegende Kirche aus ganz unterschiedlichen Perspektiven wahrgenommen werden. Biegt man von der durch den Ort führenden Bundesstraße ab, fällt der Blick auf die Westfassade. Zwei kleine Eingangstüren sind in die seitlichen Wandflächen neben dem hervorspringenden Turm eingelassen, der anstatt eines Portals ein mittig angeordnetes unterteiltes Rundbogenfenster aufweist.

Wie auch in Schönhagen kennzeichnen Längsseiten mit hohen Rundbogenfenstern die Bauten Hellners. Das Fehlen eines Turmportals und die Gestaltung der rückwärtigen Außenwand mit zahlreichen, teils rechteckigen Fenstern lassen Änderungen des ursprünglichen Plans Hellners vermuten. Das große Thermenfenster im Dreiecksgiebel der Rückwand findet sich dagegen in mehreren seiner größeren Kirchen wieder.

Der mit einer Halbkreistonne abschließende Innenraum wurde in den vergangenen Jahrzehnten mehrfach renoviert. Nach wie vor aber ist die Bauidee Hellners zu erkennen, nach der die Gestaltung des Kirchenraums klar auf die Liturgie des evangelisch-lutherischen Gottesdienstes ausgerichtet sein sollte.

Blickfang im Osten ist die Kanzelaltarwand. Die Zusammenführung von Kanzel und Altar veranschaulicht die zentrale Bedeutung von Predigt und Abendmahl im evangelischen Glaubensverständnis. Der Raumeindruck wird weiterhin durch die umfangreiche Emporenanlage mit einer klassizistischen Säulenarchitektur geprägt. Auch das ausreichende Sitzplatzangebot war ein wichtiges Kriterium bei Kirchenneubauten in jener Zeit.

Der Altar wird von zwei rundbogigen Durchgängen flankiert, durch die Abendmahlsteilnehmer in früheren Zeiten nach dem Empfang des Brotes auf die andere Seite gelangten, wo der Wein gereicht wurde. Die drei Achsen der Kanzelaltarwand werden durch kannelierte Pilaster mit schlichten Kapitellen gegliedert. Die ursprünglich bodenlangen mittleren Pilaster sind infolge einer späteren Verbreiterung der Altarmensa verkürzt. In einer rundbogigen Nische in der Ostwand ist hinter einer Emporenbrüstung die Orgel aufgestellt, ein Instrument des hannoverschen Hoforgelbaumeisters Ernst Wilhelm Meyer aus dem Jahr 1831.

Im Zuge der Modernisierung des Innenraums wurde unter anderem der Fußboden erneuert und eine Einzelbestuhlung angeschafft. Die Emporen und die Kanzelaltarwand erhielten eine neue Bemalung. Einige Ausstattungsgegenstände machen die Kirche in Schönhagen zu einem Raum, der nicht mehr der nüchterne Predigtraum ist, wie ihn Hellner vor Augen hatte.

Holztafeln mit den Namen der Gefallenen der beiden Weltkriege, ein abgedrucktes Gebet neben einer geschnitzten alten Kreuzigungsgruppe und das Altarbild, das Christus beim Gebet am Ölberg zeigt, veranlassen zum Innehalten, zum Nachdenken und zum Gedenken. Zwei neben der Kanzel angebrachte Bronzearbeiten mit Tier- und Pflanzenmotiven versinnbildlichen Bibelsprüche aus dem Matthäusevangelium. Die Gestaltung des Innenraums wird in dem ausliegenden Kirchenführer beschrieben und mit vielen Bibelzitaten begleitet.

Letztendlich findet auch der „nur“ Vorbeifahrende in Schönhagen eine „Offene Kirche“ vor, in der er Ruhe findet, vielleicht eine Kerze anzündet oder ein Gebet spricht.

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