Ein Staffelgiebel mit spitzbogigen Putzblenden, unterteilt durch über Eck gestellte Wandvorlagen, die in Fialen auslaufen… Nicht diese architektonischen Merkmale sind das Besondere am Westgiebel der Kirche in Löwenstein, die im typischen Stil der Zeit des Deutschen Ordens erbaut worden ist. Es sind die Storchennester, die den Giebel krönen und das Gotteshaus auch zu einem Haus für Störche machen. Die Feuchtwiesen rund um das heute Lwowiec genannte 200-Seelen-Dorf im Norden Polens bieten den Tieren reichhaltige Nahrung.

Der mittelalterliche Backsteinbau war bis 1945 die evangelische Pfarrkirche des Ortes. Während das äußerliche Erscheinungsbild seitdem kaum Veränderungen unterlag, wurde der Innenraum von der neuen polnischen Gemeinde nach ihrem „Geschmack“ und den Erfordernissen der katholischen Liturgie modernisiert und umgestaltet. Der Einbau eines Zelebrationsaltars, Bildnisse von Heiligen, reichhaltiger Blumenschmuck, Teppiche im Chorraum und eine Abbildung des in Polen immer noch allgegenwärtigen Papstes Johannes Pauls II. charakterisieren den Kirchenraum heute.

Von der alten Ausstattung der Kirche sind drei eindrucksvolle Teile erhalten. Neben der aus dem 18. Jahrhundert stammenden Orgel auf der Westempore erinnern die Kanzel und ein Altarretabel an das frühere Aussehen des Kirchenraums. Während der Schnitzaltar auf die Zeit um das Jahr 1500 datiert wird, ist auf der Kanzel das Jahr 1609 als Entstehungsdatum vermerkt.

Die künstlerische Gestaltung des Altars veranschaulicht die Bedeutung der Marien- und Heiligenverehrung in der Zeit vor der Reformation. Der Mittelschrein, bekrönt von drei Heiligenfiguren (Georg, Barbara, Johannes der Evangelist), zeigt die Muttergottes mit dem Kind, umrahmt von Weinlaub und Reben. Auf alten Aufnahmen sind an ihren Seiten noch Figuren der Apostel Petrus und Paulus dokumentiert. In polnischer Zeit wurden diese entfernt und durch künstliche Rosen ersetzt, Symbol für die Jungfrau Maria. Die Schnitzarbeiten der Seitenflügel stellen Szenen aus dem Leben Marias dar, ebenso wie die Gemälde auf den Rückseiten.




Ein verändertes Glaubensverständnis, das allein die Schrift zur Grundlage hat, zeigt die mit reichhaltiger Schnitzornamentik gestaltete Kanzel aus „evangelischer Zeit“. Der Ort der Verkündigung des Wortes ist hier zugleich selbst mit Bibeltexten versehen. Unter den Bildnissen der vier Evangelisten finden sich ausgewählte Verse aus den jeweiligen Evangelien. Bänder mit Bibelsprüchen laufen entlang des Aufgangs, während man sich beim Schalldeckel aus Platzgründen auf die Angabe einzelner Textstellen beschränkt hat.
Um noch einmal auf die Störche zurückzukommen: nicht nur die Kirche bietet ihnen nach der Rückkehr aus südlichen Gefilden in Löwenstein eine Fülle von Nistplätzen.

Trotz dieses komfortablen Angebots an Nestern auf den Häusern, Ställen und Telefonmasten bot sich in den Jahren 2022 und 2023 ein erschreckendes Bild. Nicht eines der vielen Nester war besetzt. Im Gegensatz zu anderen Dörfern der Region, in denen Störche nach wie vor zum üblichen Erscheinungsbild gehörten, war Löwenstein „storchenfrei“. Als Ursache gilt das vermehrte Auftauchen des Seeadlers. Wegen der Trockenheit konkurrieren beide Arten zunehmend um Nahrungsplätze in der Umgebung. Zudem tritt der Seeadler als Nesträuber auf und füttert mit den geschlüpften Jungstörchen seinen eigenen Nachwuchs.
2024 – Wieder zurück !
Zur Freude der Dorfbewohner und Touristen haben die Langbeiner in ihr Storchendorf zurückgefunden. In etlichen der noch vorhandenen Nestern werden Jungstörche gefüttert und werden bald ihre ersten Flugversuche unternehmen.


